Ist der Emergenza Bandwettbewerb reines Pay2Win?

Die Antwort auf diese Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten. Im Prinzip ja und das ist ein Businessmodell, das man ja noch tolerieren kann, wenn man sich darauf einlassen möchte. Dann aber kommt die Willkür der Jury ins Spiel, deshalb ist es auch ein im Prinzip nein. Hier mal im Detail erläutern, was gemeint ist und wie es funktioniert.

Ja Emergenza ist ein Pay2Win-Wettbewerb, aber…

Wenn Du mit deiner Band beim Emergenza auftreten möchtest, zahlst du in der Regel erstmal eine Art Beitrittsgebühr, Pfand oder wie auch immer man das nennen möchten. Die Veranstalter haben da kreative Bezeichnungen gefunden, die verschleiern, worum es sich da handelt. Tatsächlich ist das aber noch kein Pay2Win. Das Pay2Win – Bezahlen, um zu gewinnen – beginnt dann beim Ticketverkauf.

Ticketverkauf funktioniert meistens so: Ein Ticket kostet beispielsweise 14€, wenn du zehn Tickets verkaufst, dann kosten sie zum Beispiel nur noch 11€ und du kannst dir die 3€ theoretisch selbst einstecken. Bei mehr Tickets gibt es noch bessere Rabatte, die Musiker dazu motivieren sollen, mehr Tickets zu verkaufen, um selbst ein Geschäft damit zu machen.

Ein Ticket berechtigt die Inhaber online abzustimmen, in der Regel für die drei besten Bands des Abends. Die Gäste müssen alle drei Stimmen vergeben. Hier beginnt das Pay2Win: Je mehr Freunde du dabei hast, die sich ein Ticket leisten können, desto eher gewinnst du. Klar, ne?

Das Emergenza ist nicht Pay2Win… (leider)

Jetzt hast du die meisten Fans zum ersten Abend mitgebracht und bist deshalb eine Runde weitergekommen (Pay2Win), dann hast du es geschafft, dass alle deine Leute nochmal beim zweiten Gig kamen und du hast es bis ins Finale geschafft (nochmal Pay2Win). Sprich: Du hast es geschafft eine musikalische Geschäftsperson zu werden und dich zu verkaufen, das Geld deiner Freunde zu nehmen und dem Emergenza-Team weiterzureichen.

Im Finale ist das dann aber alles egal, denn dann entscheiden nicht mehr deine Fans, wer zum internationalen Finale beim Tauber Festival fährt, sondern eine Gruppe von Menschen, die du noch nie gesehen hast. All das Geld in der Finalrunde also für nichts ausgegeben! Jetzt sagen sie dir: Die drei Publikumsvotingsgewinner und die Bands, die mehr als 50 Tickets verkaufen werden beim Jury-Voting berücksichtigt (alle anderen übrigens nicht), aber ob das so ist und ob nicht der Gewinner im Vorherein schon feststeht, weiß man nicht.

Das heißt: Der Emergenza Bandcontest ist genau so lange Pay2Win, wie es den Veranstaltern in den Kram passt. Da kann man also schon sagen: Leider ist das Emergenza nicht Pay2Win.

Das Emergenza ist Pay2Win bis die Jury das nicht will

Das Pay2Win-System wird übrigens schon an den Abenden selbst ausgehebelt: Die Jury hat an jedem Abend der Vorrunden und Halbfinale noch eine sogenannte „Wildcard“, um eine Band, die Ihnen gefallen hat, noch weiterzubefördern in die nächste Runde.

Was die Kriterien sind? Geschmack? Wirtschaftliches Kalkül (vielleicht die 4.meisten Fans mitgebracht)? Performance? Vetternwirtschaft? Man weiß es nicht!

Auffällig ist jedoch, dass vor allem Indierock-Bands per Wildcard weitergekommen oder ins internationale Finale geschickt werden. Man könnte also annehmen, dass die Jurys entweder nach dem am besten „Vermarktbaren“ suchen oder alle Jury-Member musikalisch in den 2000er Jahren festgehangen sind.

Das soll übrigens keine Abwertung von Indierock sein! Lediglich der Erklärungsversuch eines beim EMERGENZA-Festival sichtbaren Musters.

Das Kalkül wäre dann: Als ich jung war, war Indie total beliebt, deshalb mag ich Indie, deshalb ist Indie erfolgreich, deshalb vote ich in den 2020ern immer noch Indie in die nächste Runde. Obwohl das vielleicht etwas weit führt, hier kurz die Implikationen eines solchen Denkens und Agierens: Auf diese Weise wird die Entwicklung von Musik in der Gesellschaft fixiert und es kommt zur Stagnation und wir alle müssen uns für den Rest unseres Lebens mit demselben Musikstil aus Radio, auf Festivals und anderem zufriedengeben. Bewährtes wird gepusht, Neues außer Acht gelassen wegen angeblicher Erfolgsfaktoren, die komplett arbiträr sind.

Die Wildcard, wenn es passt…

Und dann passiert es eben doch, dass dann Tage nach einem Semifinale eine Band plötzlich die Nachricht bekommt: Ihr seid mit Wildcard weiter ins Finale. Man wundert sich schon, wie das zustande kommt. Die naheliegendste Antwort ist: Wir wollen ein Haus vollbekommen, ihr habt auch noch am meisten Fans mitgebracht. Es ist dann also eine wilde Mischung aus Willkür, wirtschaftlichem Kalkül und Pay2Win!

Fazit: Das wirklich Frustrierende am Emergenza

Das wirklich Frustrierende am Emergenza Bandcontest ist nicht das Pay2Win, sondern die schiere Intransparenz und Willkür mit der Entscheidungen getroffen werden, um noch mehr Geld zu verdienen. Wenn die Veranstalter hier ganz transparent agieren würden, könnten die Beteiligten tatsächlich informierte Entscheidungen treffen. Aber anstatt -wie durch Emergenza behauptet- Bands zu empowern, wird ihnen jede Handlungsfähigkeit (Agency) durch Intransparenz des Prozesses abgesprochen.

Oder um es kurz zu fassen: IHR HABT DOCH SCHON EIN FUNKTIONIERENDES PAY2WIN-ABSTIMMUNGSSYSTEM MIT DEM AUCH BANDS MIT KLEINEREN FANGEMEINDEN DURCH HINTERZIMMER-DEALS MIT DEN ANDEREN BANDS WEITERKOMMEN KÖNNEN. WARUM MACHT IHR NOCH DIESE WILLKÜRLICHE JURY-WILDCARDSACHE?

Die Antwort ist natürlich: Wegen des Geldes. Und das wäre ja auch okay, wenn das ganz klar gesagt und danach gehandelt werden würde. Nur weil die Veranstalter um ihre Reputation als Musikbranchenexperten fürchten und sie gern in Machtpositionen das letzte Wort haben wollen (ohne das selbst zu reflektieren), wird auf eine Art und Weise gehandelt, die alle Beteiligten ihrer Würde beraubt.